Und hier die tolle Rede von Waltraud Eisenträger-Tomcuk für Bunt statt braun am 1. Mai 2017:
Sehr geehrte Anwesende,
ich begrüße Sie alle sehr herzlich!
Im Namen des „Bündnisses Bunt statt braun“ bedanke ich mich vielmals bei den DGB-Kreisvorsitzenden, Anja und Adam, dass sie auch an diesem 1. Mai wieder einen Redebeitrag von „Bunt statt braun“ möglich gemacht haben!
Das Bündnis „Bunt statt braun“ setzt sich nicht nur gegen rechtsextremistische Tendenzen und Aktivitäten ein, sondern für Völkerverständigung und für kulturelle Vielfalt. Wir leben diese auch, indem wir uns u. a. ehrenamtlich – mit vielen anderen Helferinnen und Helfern – für Geflüchtete engagieren und eine Integration erst möglich machen.
Wir hören zu, wenn Geflüchtete von ihren grauenhaften Erfahrungen berichten, wir trösten und fühlen mit, wir kümmern uns.
Immer wieder hören wir nette Worte von Politikern, die unsere Integrationsarbeit loben – die aber in ihren Amtsstuben die Asylgesetze so lange verschärfen, bis man sie nicht mehr wiedererkennt.
Ganz ehrlich: Man mag es nicht mehr hören!
Immer mehr behördliche Willkür ver- und behindert unsere Arbeit.
Statt uns bei unseren Integrationsbemühungen zu unterstützen, wird unter den Geflüchteten, aber auch in Teilen der Bevölkerung, ein Klima der Angst erzeugt. So machen die seit Dezember 2016 monatlichen Sammelabschiebungen von Afghanen Vieles von dem zunichte, was wir Ehrenamtliche, die Schulen, die Betriebe und Geflüchtete bereits geleistet haben.
Wir alle sind Teil einer einzigartigen Willkommenskultur in diesem Land und wir werden es nicht widerstandslos hinnehmen, dass aus dieser Willkommenskultur eine Abschiebekultur gemacht wird!
Heute stehe ich hier und appelliere an das Gewissen von Politikerinnen und Politikern, unterstützen Sie uns in dem Bemühen, unseren Schutz suchenden Freunden, Mitschülern, Nachbarn und Arbeitskollegen, umfassenden Schutz zu gewähren – nicht nur mit dem Stempel der Befristung oder Duldung, sondern in der Erkenntnis, dass diese Menschen unsere Gesellschaft bereichern und bei uns ein neues, ein friedliches Zuhause finden können und sollen!
Es sind rechte Kräfte am Werk, die eine ausländerfeindliche Stimmung schüren, von denen sich viele Politikerinnen und Politiker ganz offensichtlich treiben lassen.
Wie sonst ist es zu erklären, dass der Innenminister, Thomas de Maiziere, Sammelabschiebungen von Geflüchteten anordnet, diese Menschen inhaftieren lässt und sie damit kriminalisiert?
In Afghanistans Hauptstadt Kabul angekommen, werden „Rückkehrer“ nämlich als Kriminelle angesehen – und auch wie solche behandelt!
Abgeschoben werden Menschen, die zum Teil schon seit vielen Jahren hier leben und arbeiten! Sie sind Arbeitskollegen, sie sind integriert, sie sind unsere Freunde geworden! Sie werden von der Polizei vom Arbeitsplatz, aus Schulen und nachts aus ihren Wohnungen geholt und in den Abschiebeknast gezwungen:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar?“ Wenn schon der Artikel 1 unseres Grundgesetzes von der Staatsgewalt nicht mehr wörtlich genommen wird, wer schützt dann noch unsere Würde?
– Wie kann der Innenminister, und auch Sie, Herr Roth, von einem „in Teilen sicheres Herkunftsland“ sprechen, wenn das Auswärtige Amt dringende Reisewarnungen für ganz Afghanistan ausgibt? – Wie kann man von Sicherheit sprechen, wenn weite Teile der ländlichen Gebiete von terroristischen Organisationen – wie z.B. dem IS und den Taliban – beherrscht werden? – Wie kann man von Sicherheit sprechen, wenn fast täglich Bomben in zivilen Gebieten explodieren?
– Wie erklärt man den geflüchteten Afghanen, dass sie „behutsam“ und „verantwortungsvoll“ in ein Land deportiert werden, in dem allein im Jahr 2016 über 11.000 Tote und Verletzte zu beklagen sind und 1,5 Millionen Menschen als Binnenflüchtlinge unvorstellbarer Armut schutzlos ausgeliefert sind? – Und: Wie kann man Menschen die Schutzbedürftigkeit absprechen, die von dort fliehen?
Der unmenschliche Deal der europäischen Innenminister mit der korrupten afghanischen Elite, für 13 Milliarden Euro geflüchtete Menschen „zurückzuführen“, in ein Bürgerkriegsland, wo zusätzlich auch aus Deutschland gesteuerte Drohnen und Bomben ausländischer Kriegsbeteiligter für unvorstellbares Leid und Elend sorgen, das ist nicht nur in höchstem Maße brutal, das ist Menschenhandel!
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, sagt dazu:
“ Nicht die Lage in Afghanistan hat sich verändert, sondern die innenpolitische Diskussion.“ Und Frau Kofler fordert: Diese dürfe aber nicht auf dem Rücken der Menschen ausgetragen werden, vielmehr seien neue Ansätze in der Integrationspolitik gefordert. Und weiter führt Bärbel Kofler aus: „ Die Sicherheitslage in Afghanistan mag von Region zu Region unterschiedlich sein, gut ist sie aber nirgendwo. Alle Abschiebungen sollten daher sofort gestoppt werden.“ Angesichts der Dauer des Konflikts hätten viele Afghanen ihren Platz in unserer Gesellschaft gefunden. Sie und die Deutschen, die sie unterstützten, könnten nicht verstehen, dass sie plötzlich aus ihrem Lebensumfeld gerissen werden.
Wohlgemerkt: Das sagt die Menschenrechtsbeauftragte der Regierung! Ist sie besser informiert als unser Innenminister, Herr de Maiziere, und alle, die seiner inhumanen Abschiebepraxis zustimmen und sie mit salbungsvollen Worten unterstützen?
Es gibt nur eine plausible Erklärung: Afghanen werden aus politischem Kalkül abgeschoben!
!-Vor dem Hintergrund der Bundestagswahl lassen sich die Regierungsparteien von der AfD treiben, sie übernehmen deren ausländerfeindliche Positionen, um ihr die Wählerstimmen der so genannten „besorgten Bürger“ abzujagen.
Ich – und mit mir unzählige Menschen in diesem Land – meine: Wer vor Krieg, Elend und Tod Schutz suchende Menschen nach Afghanistan und in Länder ohne Menschenrechte zurückzwingt, verstößt bewusst gegen die viel beschworenen Grundwerte der EU und gegen unser Grundgesetz!
Aber halt! Es wählen auch noch andere! Nämlich alle, die sich für und mit Geflüchteten engagieren! Die sich damit als Stütze einer offenen Gesellschaft erweisen, die sich für die Einhaltung von Menschenrechten, für soziale Gerechtigkeit, für das Recht auf Bildung und für kulturelle Vielfalt einsetzen.
Das sind WIR und WIR sind viele und WIR sind eins!
Liebe Schutzsuchende, wir stehen auf eurer Seite! Wir wissen von euren traumatischen Erfahrungen, von den Panikattacken, die euch den Schlaf rauben. Wir kennen eure furchtbare Angst, wenn ihr die Abschiebungsandrohung bekommt und verzweifelt nach Hilfe sucht.
Wir werden euch helfen, die Verfolgung in euren Herkunftsländern, eure Flucht und eure persönliche Situation öffentlich zu machen, genauso wie die aktuelle Situation in Afghanistan und die menschenunwürdige Behandlung der Kurden im Iran!
Wir werden weiterhin – wie es tausende Menschen in dieser Republik auch tun – Behörden, Presse, Kirchen, Vereine, Gewerkschaften, Prominente und Politiker vor Ort, in den Landtagen und im Bundestag bitten, für euren Schutz, für ein Bleiberecht und damit für eine Zukunftsperspektive in einem sicheren Land einzutreten!
Afghanistan ist nicht sicher – nirgendwo!
Es gibt für die 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge und für die dorthin Deportierten keine Lebens- und für viele keine Überlebenschance!
Ich appelliere hier und jetzt namentlich an Herrn Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, und alle politischen Funktionäre im Werra-Meißner-Kreis:
- Setzen Sie sich für den sofortigen Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan ein!
- Setzen Sie sich für ein Bleiberecht ein!
- Denken und handeln Sie mitmenschlich!
Schließen möchte ich mit den klugen Worten von Johann Wolfgang von Goethe:
Toleranz sollte nur eine vorübergehende Gesinnung sein;
sie muss zur Anerkennung führen.
Dulden heißt beleidigen.
Aktuelle Informationen über Afghanistan finden Sie am Stand von Bunt-statt-braun.
Ihnen und euch allen wünsche ich einen schönen 1. Mai-Tag!